Sauberes Wasser und lebendige Gewässer sind nicht verhandelbar, sondern ererbte Güter, die geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden müssen. Dies ist einer der zentralen Gründe, warum die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 2000 einen gemeinsamen Rahmen für die Wasserpolitik beschlossen haben – die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Sie soll garantieren, dass Flüsse, Seen und Küstengewässer mit ihrer Vielfalt an Tieren und Pflanzen, ihren dynamischen Prozessen sowie unser Grundwasser geschützt und nachhaltig genutzt werden.
Mit ihren ambitionierten Umweltzielen und dem wegweisenden Ansatz des grenzüberschreitenden Flussgebietsmanagements gilt die WRRL weltweit als Modell einer modernen und zukunftsweisenden Umweltrichtlinie. Allerdings zeichnet sich ab, dass die Umsetzung schleppend verläuft und Ausnahmen überstrapaziert werden. Dabei benötigen fast alle Gewässer zusätzlichen Schutz, gerade auch im Hinblick auf neue Belastungen durch Mikroplastik, multiresistente Keime und falscher Medikamentenentsorgung.
Für die Umsetzung des "guten Zustands" der Gewässer setzt die WRRL als Frist das Jahr 2015, lässt aber unter bestimmten Voraussetzungen Verlängerungen zu. Deutschland hat die Möglichkeiten, zur Fristverlängerung, für fast alle Gewässer ausgereizt. Doch anstatt alles daran zu setzen, die neue Frist 2027 zu erfüllen, wird die Umsetzung weiterhin nur halbherzig betrieben in der Hoffnung auf weitere Fristverlängerungen.
Nun, 18 Jahre nach ihrem Inkrafttreten, soll die WRRL einem so genannten „Fitness-Check“ unterworfen werden, bei dem die Mitgliedsstaaten, Industrie- und Umweltverbände, aber auch die Öffentlichkeit eingebunden werden. Die NaturFreunde NRW befürchten, dass dieser „Fitness-Check“ zum Anlass genommen werden soll, die Bestimmungen der WRRL aufzuweichen oder bestehende Fristen zu verlängern.
Den Bestimmungen der WRRL steht eine mächtige Lobby aus der Industrie, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Schifffahrt, Verkehr und Bergbau unfreundlich gegenüber. So fordert zum Beispiel der Bund der deutschen Industrie (BDI), dass weniger strenge Regeln gelten sollen und Ausnahmeregelungen auch aus wirtschaftlichen Gründen möglich sein sollen.
Die NaturFreunde NRW sprechen sich entschieden gegen Änderungen der WRRL aus und fordern stattdessen ihre konsequentere Umsetzung auf allen Ebenen. Es muss ein stärkerer politischer Wille erkennbar werden, die WRRL fristgerecht und mit hoher Priorität umzusetzen. Nur so kann es gelingen, unser kostbarstes Lebensmittel zu erhalten und den Artenreichtum in unseren Gewässern zu sichern.
Die Flusslandschaft der Jahre 2018/19, die Lippe, die von NaturFreunden und Angelfischerverband gekürt wurde, zeigt deutlich, was durch ein umweltgerechtes Gewässermanagement an Lebensqualität für Mensch und Tier erreichbar ist, aber auch, wie viele Schritte noch zu gehen sind, bis umfassend ein guter ökologischer und chemischer Zustand der Gewässer erreicht ist.
Die NaturFreunde NRW fordern daher:
- Hände weg von der Wasserrahmenrichtlinie! Die vorbildlichen Bestimmungen der WRRL dürfen nicht abgeschwächt werden. Die für das Jahr 2027 festgelegten Fristen zur Schaffung einer guten Gewässerqualität dürfen nicht hinausgeschoben werden.
- Für eine konsequente Zielerreichung hin zu einer guten Gewässerqualität bis 2027 müssen für alle Gewässer konkrete, individuelle Maßnahmenpakete erarbeitet und umgesetzt werden.
- Der Schutz der Gewässer muss Priorität haben in allen Politikfeldern wie Landwirtschaft, Industrie, Energie, Bergbau, Verkehr und Bau von Infrastruktur. Hierfür müssen die notwendigen finanziellen Mittel bereit gestellt werden.
- Die kommunalen und staatlichen Umweltbehörden müssen personell und sachlich so ausgestattet werden, dass sie ihre durch die WRRL vorgeschriebenen Aufgaben zügig erfüllen können.
- Die Flächenverfügbarkeit als zentrales Hindernis für die Umsetzung der Maßnahmen muss auch durch rechtliche Mittel zur Akquise der Flächen gewährleistet werden können.
- Beim Hochwasserschutz muss mit Deichrückverlegungen Gebietsausweisung (Bauverbot in Uferbereichen) und ähnlichen Maßnahmen genug Überschwemmungsfläche zur Verfügung gestellt werden. Auenlandschaften sind mit den Flüssen zu verknüpfen, um ökologisch zusammenhängende Gebiete zu schaffen
#protectwater: Verbände in allen EU-Ländern starten Kampagne für den Erhalt der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
Die NaturFreunde NRW haben die Mitglieder des Europäischen Parlaments aus NRW, die Bundes- und die Landesumweltministerin sowie die Fraktionsvorsitzenden in Bundestag und Landtag angeschrieben und um Unterstützung dieser Forderungen gebeten. Die Antworten werden wir auf dieser Seite veröffentlichen.
Mit dieser Aktion beteiligen sich die NaturFreunde NRW an der gemeinsamen Kampagne #protectwater von über 100 europäischen Umweltverbänden zur Erhaltung der Wasserrahmenrichtlinie.
Hier geht es zum Artikel bzw. Formular, um an der Konsultation teilzunehmen bzw. seinen Stimme an die EU-Kommission zu senden! Mach mit!