Mit einem äußerst interessanten Vortrag begann unsere neue Reihe "Der besondere Abend": Christian Hildebrandt, freiberuflicher Mitarbeiter am Neandertal-Museum besuchte uns an diesem Freitagabend im Naturfreundehaus Gerresheim. Und er kam nicht alleine - aus den Beständen des Neandertal-Museums hatte er Abgüsse von Schädeln mitgebracht, anhand derer er uns durch die Entwicklungsgeschichte der Menschheit führte.
Zunächst zeigte Christian Hildebrandt auf, was Menschenschädel prinzipiell von Affenschädeln unterscheidet - wichtig zu wissen, um Schädel einsortieren zu können. So haben Menschen prinzipiell eine eher hohe und steile Stirn, ein flaches Gesicht und ein vorstehendes Kinn. Der Ansatz der Wirbelsäule liegt unten im Schwerpunkt des Schädels - ein Zeichen für aufrechten Gang. Menschenaffen hingegen zeichnen sich durch lange Eckzähne aus (die beim Menschen fehlen) und die Wirbelsäule ist eher schräg hinten am Schädel angesetzt.
Vor etwa 7 bis 10 Millionen Jahren trennten sich die Entwicklungslinien von Menschenaffen und Menschen, die ersten historischen Schädel von Menschenvorfahren (was allerdings umstritten ist), dem Sahelanthropus tschadensis, stammen aus dieser Zeit. Der Australopithecus, von dem es übrigens 7 bis 8 verschiedene Arten gab, erlebte vor etwa 2,5 Millionen Jahren einen Klimawandel in Ostafrika: das Klima wurde trockener, die Pflanzen härter. Zwei verschiedene Entwicklungen resultierten aus der Bewältigung der Situation: der Australopithecus robustus, der auf dem Schädel einen Kamm besaß, an dem die riesigen Kaumuskeln ansetzten. Und der Homo habilis, der auch Fleisch aß und der erste Steinwerkzeuge herstellen konnte - man nimmt an, dass die nahrhaftere Fleischnahrung ein Wachstum des Gehirns und somit höhere Fertigkeiten begünstigte.
Vor etwa zwei Millionen Jahren tauchte dann der Homo erectus auf der Bildfläche auf. Aus ihm entwickelte sich ziemlich zeitgleich vor etwa 300.000 Jahren in Europa (unter den Bedingungen der Eiszeit) der Neandertaler und in Afrika (wo es wärmer war) der moderne Mensch Homo sapiens sapiens. Diese beiden Menschenarten lebten also gleichzeitig, aber lange räumlich voneinander getrennt, bis vor etwa 35.000 Jahren auch der moderne Mensch Europa erreichte und der Neandertaler von der Bildfläche verschwand. Allerdings nicht spurlos - Untersuchungen zeigen, dass alle Menschen außerhalb Afrikas immer noch etwa 2-3 % Neandertaler-DNA besitzen.
Seit dem ersten Fund des bekannten Schädels (auf dem linken Bild zu sehen) hier im Neandertal hat sich das Bild des Neandertalers stark geändert, wie Christian Hildebrandt zu berichten wusste. Der keulenschwingende, gebückt gehende Primitivling entspricht nicht mehr dem Stand der heutigen Forschung - der gebückte Gang wurde von einem gefundenen Skelett mit starker Arthrose im Rücken (dieser Neandertaler musste zweifellos gebückt gehen) fälschlicherweise auf die ganze Art verallgemeinert.
Noch viele weitere interessante Fakten und Geschichten, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würden, gab Christian Hildebrandt zum Besten, zahlreiche Rückfragen und Diskussionsbeiträge zeugten von der Begeisterung der Zuschauer*innen. Und so vergingen zwei Stunden Streifzug durch die Menschheitsgeschichte wie im Fluge.