Während bei uns die Diskussion um die Wasserversorgung erst langsam in Gang kommt, ist das Thema in Spanien schon seit Jahren auf der Tagesordnung. Am 04.02.2024 wurde in Katalonien der Wassernotstand ausgerufen. Die seit 40 Monaten anhaltende Dürre und die ungleiche Verteilung des nutzbaren Wassers führen dazu, dass Barcelona das Trinkwasser ausgeht. Die katalanische Wasserbehörde plant, im Notfall täglich zwei Tankschiffe mit je 60.000 Litern Trinkwasser aus den umliegenden Regionen in den Hafen von Barcelona einlaufen zu lassen, um von dort Wasser in die Leitungen zu pumpen. Zudem werden Milliarden in Entsalzungsanlagen entlang der Küste investiert.
Die Tücken der technologischen „Lösungen“ zur Wasseraufbereitung durch Meerwasserentsalzung und Wasserrecycling sind jedoch offensichtlich. Meerwasserentsalzungsanlagen verbrauchen nicht nur enorm viel Energie und kosten viel Geld, sie stören auch die Ökosysteme an den Küsten und produzieren Schwermetallabfälle im Filterprozess. Außerdem führt ein solcher temporärer Ausgleich der Wassermengen nicht zu einer langfristig notwendigen Reduzierung des Bedarfs und zu einem wirklichen Umdenken/Handeln. Eine Verlagerung des Problems.
Ausverkauftes Wasser - Spanische Erdbeeren und der Urlaub an der Costa Brava
Dass Wassergerechtigkeit ein strukturelles Problem und eine Folge der kapitalistischen Wirtschaftsweise ist, zeigt sich in den beiden größten Sektoren der spanischen Wirtschaft, der Landwirtschaft und dem Tourismus.
Der größte Wasserverbraucher in Spanien ist die Landwirtschaft (72%), insbesondere der Obst- und Gemüseanbau sowie die industrielle Schweinezucht (in Katalonien gibt es mehr Schweine als Menschen - 7,8 Millionen). Die Fäkalien der Schweine verseuchen die Böden mit Nitrat, so dass 57% des Wassers aus Flüssen und Aquiferen (Grundwasser) nicht mehr nutzbar sind. Dass Effizienzsteigerung durch Technik nicht zu weniger Verbrauch, sondern zu mehr Produktion und Gewinnmaximierung führt, ist seit Jahrzehnten erwiesen. Eine kurzfristige Einsparung z.B. durch die Einführung der Tröpfchenbewässerung in den 90er Jahren führte langfristig zu Produktionssteigerung und Gewinnmaximierung durch größere Anbauflächen, verdoppelte Ernteintervalle und nur noch perfidere Ausbeutung der Böden. Dass dies ein strukturelles Problem der irrsinnigen Wachstumslogik des globalen Kapitalismus ist, zeigt sich in der Statistik der spanischen Wirtschaftsleistung. Spanien deckt 22% der EU-Fleischexporte und bewässert, damit wir das ganze Jahr über Erdbeeren und Orangen im Supermarkt haben! Das trockenste Land Europas verkauft seine letzten Wassertropfen an wasserreichere Regionen.
Zudem sind 25% der größten Wasserverbraucher in Barcelona Hotels, ein*e Tourist*in in einem Luxushotel verbraucht statistisch 5x so viel Wasser wie eine einheimische Person. Darüber hinaus ist die Privatisierung von Wasser ein wachsendes Problem. In Barcelona werden 78% der Bevölkerung von Unternehmen mit Wasser versorgt. Profitmaximierung geht hier vor lebensnotwendiger Versorgung.
„Wasser gehört uns allen!“ – ein Schwerpunktthema der NaturFreund*innen
Im verregneten deutschen Winter scheint uns das noch nicht zu berühren. Wir lesen von Trockenheit in Frankreich und Spanien und sehen eindrucksvolle Bilder von leeren Stauseen - wie gestern in den Tagesthemen. Dabei ist Wassergerechtigkeit kein Zukunftsthema, sondern auch in Deutschland schon Gegenwart. Verteilungskämpfe um Wasser oder fruchtbaren Boden nehmen auch in unserer Region an Schärfe zu. Auch wenn die Jahresniederschläge in Deutschland nach den Prognosen ähnlich bleiben, gehört Deutschland weltweit zu den Regionen mit dem höchsten Verlust an nutzbarem Wasser. Wir können uns auf wochenlange Trockenperioden einstellen, zu anderen Zeiten auf Starkregen und Stürme, wie jüngst im Rheinland.
Wenn es um Klimagerechtigkeit geht, wird in der Politik gerne das Narrativ der Eigenverantwortung bemüht. Kürzer duschen, den Wasserhahn beim Spülen nicht laufen lassen, weniger Rindfleisch essen, Subventionen für Wärmepumpen statt die Industrie in die Pflicht zu nehmen. Dies führt zu Bewertungen von „klimakorrektem“ Verhalten, u.a. zu Flugverweigerung, und zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung. Dass ein wachsendes Bewusstsein die Grundlage für ein Umdenken und einen Politikwechsel ist, steht außer Frage. Aber wir reiben uns aneinander und verlieren dabei diejenigen aus dem Blick, die am meisten verbrauchen. In Deutschland sind das der Tagebau und die chemische Industrie. Allein der Industrieriese RWE verbraucht jährlich mehr als dreimal so viel Wasser wie alle Bewohner*innen Berlins. Hinzu kommen Vergiftungsgefahren durch immer höhere Abwasseranteile in den Flüssen, die von der Industrie eingeleitet werden, und der weiter steigende Kühlbedarf von Geräten. Der Wasserstand des Rheins soll deshalb bis 2050 um 50 Prozent sinken.
Dass Wasser jedoch ein Gemeingut und Menschenrecht ist und Entscheidungen über seine Verteilung transparent und gerecht erfolgen müssen, ist ein Schwerpunkt der Arbeit der NaturFreund*innen NRW in diesem Jahr.